Angst – Wenn Sorgen den Alltag bestimmen: Ursachen, Symptome und Wege zur Linderung
- info44776
- 2. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 12 Minuten
Angst ist ein zutiefst menschliches Gefühl. Sie schützt uns, warnt uns – und kann gleichzeitig lähmen, wenn sie übermächtig wird. In einer Welt, die sich ständig verändert, voller Anforderungen und Unsicherheiten, sind Ängste für viele Menschen zu einem ständigen Begleiter geworden.
Angst in der modernen Welt
Wir leben in einer Zeit, in der Sicherheit oft nur noch gefühlt statt real existiert.
Globale Krisen (Kriege, Klimawandel, Wirtschaftskrisen)
Individuelle Belastungen (Jobunsicherheit, Beziehungskonflikte, familiäre Anforderungen)
Dauerhafte Erreichbarkeit, Social Media, Vergleiche mit „perfekten“ Leben
Reizüberflutung durch Nachrichten, Informationsflüsse, Multitasking
Diese Kombination aus Überforderung, Unsicherheit und beschleunigtem Leben schafft einen perfekten Nährboden für diffuse Ängste und chronische Sorgen. Viele Menschen finden keine echten Erholungsräume mehr, ihr Nervensystem bleibt im Alarmmodus.
Angst ist eine normale Reaktion auf Bedrohung. Doch wenn sie ständig präsent ist, wird sie selbst zur Bedrohung.
Was ist Angst überhaupt?
Angst ist ein biologisch verankertes Warnsystem. Sie aktiviert unser autonomes Nervensystem: Herzfrequenz, Atmung, Muskeltonus und Aufmerksamkeit steigen – der Körper macht sich bereit für „Kampf oder Flucht“.
Das Problem: Dieses System wurde für reale, akute Gefahren entwickelt – z. B. ein Raubtier in der Steinzeit. Heutige Gefahren sind komplexer, langanhaltender und oft nicht konkret greifbar. Die Folge: unser Nervensystem bleibt ständig aktiviert – und überfordert uns emotional und körperlich.
Symptome von Angststörungen
Nicht jede Angst ist pathologisch. Doch wenn sie sich verselbstständigt, den Alltag einschränkt oder körperliche Beschwerden auslöst, kann eine Angststörung vorliegen.
Typische Symptome:
Dauerhafte innere Anspannung, Nervosität
Herzklopfen, Zittern, Schwitzen, Kurzatmigkeit
Grübelzwang, Kontrollverhalten, Katastrophenfantasien
Vermeidungsverhalten: Orte, Menschen oder Situationen werden gemieden
Schlafprobleme, Konzentrationsstörungen
Gefühl von Entfremdung („Ich bin nicht mehr ich selbst“)
Die Rolle des Nervensystems
Chronische Angst verändert langfristig die neurobiologischen Strukturen des Gehirns:
Die Amygdala (Gefahrenzentrum) ist überaktiv
Der präfrontale Cortex (für rationale Entscheidungen) wird gehemmt
Der Hippocampus (Erinnerung & Orientierung) wird durch Dauerstress beeinträchtigt
Die Stresshormone Cortisol und Adrenalin bleiben dauerhaft erhöht
Diese Veränderungen führen dazu, dass Betroffene sich oft ohnmächtig, reizbar oder innerlich abgeschnitten fühlen – selbst in vermeintlich sicheren Situationen.
Ursachen: Warum entsteht Angst?
Angst ist immer individuell – aber es gibt wiederkehrende Muster:
1. Biologische & genetische Faktoren
Manche Menschen haben eine höhere Grundsensibilität. Ihr Nervensystem reagiert schneller auf Reize. Auch eine familiäre Vorbelastung kann eine Rolle spielen.
2. Prägungen & Erfahrungen
Frühkindliche Unsicherheiten oder Bindungsstörungen
Traumatische Erlebnisse (z. B. Unfälle, Gewalt, Verluste)
Übermäßige Kontrolle oder emotionale Vernachlässigung in der Kindheit
3. Kulturelle & gesellschaftliche Einflüsse
Unsere Leistungsgesellschaft fördert permanente Selbstoptimierung und Unsicherheitsvermeidung:
„Du musst es schaffen.“
„Sei perfekt.“
„Kontrolliere dein Leben.“
Diese Glaubenssätze fördern Ängste vor Fehlern, Bewertung und Kontrollverlust – sie machen Sicherheit zur Pflicht und Unsicherheit zur Scham.
Wie kann man mit Angst umgehen?
Es gibt keinen schnellen Aus-Schalter. Aber es gibt Wege, angstvolle Zustände zu lindern und nachhaltiger damit umzugehen:
1. Psychoedukation
Verstehen, was Angst ist, wie sie entsteht – und dass sie behandelbar ist. Wissen reduziert Ohnmacht.
2. Selbstbeobachtung und Achtsamkeit
Wo im Körper spüre ich meine Angst?
Welche Gedanken wiederholen sich?
Wann beginne ich zu vermeiden?
3. Bewegung und Regulation
Sport, Atemarbeit, progressive Muskelentspannung
Nervensystem aktiv beruhigen
Ausstieg aus dem Grübelkreislauf durch Aktivität
4. Beziehungen und Unterstützung
Angst isoliert – der Kontakt mit anderen Menschen kann regulierend wirken. Gespräche, ehrlicher Austausch, gehalten werden.
Gestalttherapie: Mit der Angst in Beziehung treten
Die Gestalttherapie bietet einen ganzheitlichen und tiefen Zugang zum Erleben von Angst. Im Unterschied zu rein kognitiven Verfahren geht es nicht darum, die Angst „wegzumachen“, sondern in Kontakt mit ihr zu treten.
Angst ist oft ein verdrängter Teil unserer Lebendigkeit. Wenn sie da sein darf, verwandelt sie sich.
Wie Gestalttherapie bei Angst hilft:
Bewusstwerdung im Hier und Jetzt: Wie zeigt sich Angst im Körper, in der Stimme, im Blick?
Arbeit mit inneren Anteilen: Z. B. der kontrollierende Anteil vs. der ängstliche Anteil
Verarbeitung früher Erfahrungen: Wo durfte Angst früher nicht sein? Wann musste ich stark sein?
Stärkung der Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge: Nicht gegen die Angst kämpfen, sondern lernen, mit ihr zu sein.
Der Raum der Therapie wird zum Ort, an dem Angst nicht mehr isoliert, sondern mitfühlend gehalten und verstandenwird.
Fazit: Angst verstehen – statt gegen sie kämpfen
Angst ist kein Fehler im System. Sie ist ein Ausdruck innerer Alarmbereitschaft – oft berechtigt, manchmal überzogen, aber immer ernst zu nehmen.
Wenn wir lernen, nicht gegen unsere Angst zu kämpfen, sondern ihr zuzuhören, öffnet sich ein neuer Raum: für Selbstkontakt, Selbstachtung – und allmählich auch für mehr Vertrauen ins Leben.

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