Diagnose Krebs – und was nun?
- info44776
- 30. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Die Rolle der psychologischen Begleitung in einer existenziellen Lebenskrise
Die Diagnose Krebs verändert alles – oft in einem einzigen Moment. Nichts ist mehr wie zuvor. Die Zeit steht still, während gleichzeitig ein inneres Beben beginnt: Angst, Schock, Wut, Ohnmacht, Unsicherheit. Selbst wenn die medizinischen Schritte schnell eingeleitet werden, bleibt eine zentrale Frage zurück:„Wie soll ich das nur schaffen?“
Krebs ist nicht nur eine körperliche Erkrankung – er betrifft den ganzen Menschen. Die Psyche, das Selbstbild, die Beziehungen, das Vertrauen ins Leben. Genau hier kann psychologische Begleitung eine tragende Säule im Heilungs- und Bewältigungsprozess sein.
Was passiert psychisch nach einer Krebsdiagnose?
Die psychischen Reaktionen auf eine Krebsdiagnose sind individuell – aber oft sehr intensiv. Typische Reaktionen sind:
Schock, Erstarrung: Die Nachricht „Krebs“ trifft meist unvermittelt und tief.
Angst: vor dem Tod, vor Schmerzen, Kontrollverlust, dem medizinischen Prozess.
Hilflosigkeit und Ohnmacht: Das Gefühl, dem eigenen Körper ausgeliefert zu sein.
Trauer: um den Verlust von Gesundheit, Sicherheit, Zukunftsplänen.
Wut und Ungerechtigkeit: „Warum ich?“ – eine vollkommen verständliche Reaktion.
Zerbrechlichkeit des Selbstbildes: Das Gefühl, plötzlich schwach oder verletzlich zu sein.
Isolation: Viele Betroffene erleben, dass das Umfeld überfordert ist – sie fühlen sich allein.
Diese Gefühle sind nicht „krankhaft“, sondern zutiefst menschlich. Doch wenn sie nicht aufgefangen werden, können sie sich verfestigen – bis hin zu Depression, Angststörungen oder sozialem Rückzug.
Wie kann psychologische Begleitung helfen?
Psychologische Unterstützung kann auf mehreren Ebenen wirksam werden – während, nach oder sogar schon vor der medizinischen Behandlung.
1. Raum für Gefühle schaffen
Viele Betroffene versuchen stark zu sein, für andere zu funktionieren, positiv zu bleiben. Doch echte Stärke beginnt dort, wo alle Gefühle willkommen sind – auch Tränen, Wut, Erschöpfung oder Angst.
Ein geschützter Raum hilft:
Gefühle zu benennen, zu verstehen und zu entlasten
innere Spannungen abzubauen
mit der emotionalen Überforderung nicht allein zu sein
2. Ängste und Gedanken strukturieren
Die Diagnose löst meist einen inneren Sturm aus: „Wie geht es weiter? Was, wenn die Behandlung nicht wirkt? Wie sage ich es meinen Kindern?“Psychologische Begleitung kann helfen:
Den inneren Druck zu ordnen
Angstspiralen zu stoppen
wieder handlungsfähig zu werden
3. Selbstwirksamkeit stärken
Eine Krebsdiagnose erzeugt oft das Gefühl von Kontrollverlust. Doch auch während einer schweren Krankheit gibt es Möglichkeiten, aktiv zu bleiben:
Umgang mit Stress und Belastung lernen
Körperliches und emotionales Gleichgewicht fördern (z. B. durch Achtsamkeit, Atmung, Imagination)
Mitbestimmung im Behandlungsprozess stärken
4. Beziehungsthemen klären
Krebs verändert Beziehungen – zu Partner:innen, Kindern, Freund:innen, Kolleg:innen. Nähe und Distanz verschieben sich, alte Konflikte treten oft wieder auf, Rollen verändern sich. Psychologische Begleitung hilft, diese Prozesse bewusst zu gestalten.
5. Traumatisierende Erfahrungen aufarbeiten
Untersuchungen, Operationen, Schmerzen, Krankenhausaufenthalte – all das kann emotional sehr belastend sein. Wenn Menschen das Erlebte nicht integrieren können, bleibt es oft als emotionaler Schock im Körper und in der Psyche gespeichert. Therapeutische Verfahren wie z. B. EMDR, Imagination oder achtsamkeitsbasierte Methoden können hier helfen.
6. Lebenssinn und Identität neu finden
Krebs stellt existenzielle Fragen:
Wer bin ich – jenseits von Krankheit?Was ist mir wirklich wichtig?Wie will ich leben – jetzt?
Therapie kann helfen, den eigenen Lebensweg neu zu spüren, zu gestalten – und manchmal auch Abschied zu nehmen.
Psychologische Begleitung ist kein Luxus – sondern elementare Unterstützung
Gerade in einer Zeit, in der so vieles unsicher ist, kann psychologische Begleitung Stabilität, Halt und Orientierunggeben. Sie ersetzt keine medizinische Behandlung – aber sie macht sie menschlicher, tragbarer und oft auch wirksamer.
Ich begleite Menschen durch den emotionalen Weg der Krebserkrankung
In meiner Praxis unterstütze ich Menschen, die mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sind – sei es als Betroffene, Angehörige oder auch in der Zeit nach der Behandlung.Wir arbeiten gemeinsam daran, wieder in den Kontakt mit sich selbst zu kommen, mit den eigenen Gefühlen umgehen zu lernen – und trotz (oder gerade wegen) der Krise innerlich lebendig zu bleiben.
Ob es um Angst, Erschöpfung, Wut, Hoffnung oder einfach das Bedürfnis geht, verstanden zu werden – in einem geschützten Rahmen darf alles da sein.
Ich glaube daran: Heilung beginnt dort, wo der Mensch wieder als Ganzes gesehen wird – nicht nur als Diagnose.
Fazit
Eine Krebsdiagnose ist ein tiefer Einschnitt – aber auch eine Einladung zur Selbstbegegnung. Psychologische Begleitung kann helfen, die emotionale Belastung zu tragen, neue Perspektiven zu gewinnen und sich selbst wieder spüren zu lernen – mitten im Chaos.
Denn auch wenn der Körper kämpft – die Seele darf gehalten werden.

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