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Wussten Sie schon?

Die psychischen Folgen der Coronakrise werden unterschätzt

Ein Artikel von Susanne Schier


Während der Coronakrise haben die psychischen Belastungen zugenommen, zeigt eine neue Studie. Digitale Beratungsangebote bieten Betroffenen Hilfe.


Schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie galt Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Staaten als Land, in dem relativ viele Menschen unter psychischen Erkrankungen leiden. Während der Pandemie hat die Zahl aber noch deutlich zugenommen.

Das ist das Ergebnis einer Befragung, die der Versicherungskonzern Axa im Juni durchgeführt hat. Mit der Studie will das Unternehmen darauf aufmerksam machen, dass es in der öffentlichen Diskussion über die Coronakrise meist um die körperlichen Auswirkungen der Krankheit gehe und zu wenig auf die psychischen Folgen von Maßnahmen zur Eindämmung des Virus geschaut werde.

Das sei aber wichtig, da psychische Belastungen auch Folgekosten für die Gesellschaft bedeuten. „Es wird Zeit, dass wir die sozialen Aspekte der aktuellen Krise und auch deren volkswirtschaftliche Auswirkungen noch stärker diskutieren“, betont Alexander Vollert, Vorstandschef von Axa Deutschland, im Gespräch mit dem Handelsblatt. Axa selbst ist davon sowohl als Arbeitgeber als auch als Krankenversicherer betroffen.

Zwar werde immer noch wenig über psychische Erkrankungengesprochen, doch sind sie weit verbreitet. „Psychische Belastungen werden in Deutschland zunehmend zu einer unbehandelten Volkskrankheit“, sagt Vollert.


Für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist es im aktuellen Kontext besonders bedeutsam, dass ihre Belange stärker in den Blick geraten. Denn die wieder steigenden Infektionszahlen führen nach den Lockerungen im Sommer teilweise zu erneuten Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Axa setzt daher auch darauf, digitale Hilfsangebote bekannter zu machen, um Betroffene möglichst frühzeitig zu erreichen und zu behandeln.

Hierzulande erkranken laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) jährlich 18 Millionen Menschen wegen psychischer Probleme. Zu den häufigsten Krankheitsbildern zählen Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch.


Der Axa-Studie zufolge nehmen die Probleme zu: Fast ein Drittel der Befragten beobachtet eine Verschlechterung der eigenen psychischen Verfassung im Verlauf der Coronakrise. Ein Viertel der Befragten gab sogar an, in der Krise das Gefühl zu haben, die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren.

„Die Corona-Pandemie spaltet die Gesellschaft weiter. Personengruppen, die es zuvor schon schwer hatten, werden nun weiter abgehängt“, betont Vollert. Als ein Beispiel nennt die Studie Frauen, die ohnehin stärker von psychischen Problemen betroffen sind als Männer. Während des Lockdowns stieg die Mehrfachbelastung aus Arbeit, Haushalt und Kinderbetreuung noch aufgrund der Schul- und Kindergartenschließungen.


Eine große Mehrheit von 74 Prozent der befragten Männer gab an, keinerlei psychische Probleme während der Coronakrise zu haben. Bei Frauen waren es nur 56 Prozent. 44 Prozent der Studienteilnehmerinnen sagten zudem, dass die Herausforderungen und Probleme im Leben nun noch größer geworden seien.


Arbeitgeber kann Unterstützung bieten

Bereits in den vergangenen Jahren litten immer mehr Berufstätige unter Erkrankungen der Psyche. Laut Zahlen der Datenbank Statista sind 15 Prozent aller Krankschreibungen durch psychische Krankheiten begründet. Diese sind zudem der häufigste Grund für eine Frühverrentung.

Axa-Deutschlandchef Vollert fordert daher, dass sich die Arbeitgeber verstärkt um die psychische Belastung ihrer Mitarbeiter Gedanken machen sollten. Denn durch präventive Angebote könnten schwere Krankheitsverläufe möglicherweise noch verhindert werden. Er verweist darauf, dass ein Burn-out oft eine lange Krankmeldung des Mitarbeiters zur Folge hat: „Wenn rechtzeitig reagiert wird, lassen sich die Krankheitstage deutlich reduzieren.“


Axa bietet beispielsweise einen telefonischen Dienst, an den sich die Mitarbeiter bei psychischen Beschwerden wenden können. „Dabei handelt es sich um einen externen Anbieter, der uns lediglich in gewissen Abständen anonymisiert mitteilt, wie viele Mitarbeiter den Service in Anspruch nehmen und welche Themenfelder sie dabei ansprechen – damit wir auch im Unternehmen entsprechende Verbesserungen treffen können“, erklärt Vollert.


Krankenversicherer vermittelt professionelle Hilfe

Positiv wertet er, dass fast ein Drittel der Befragten in der Studie angab, sich im Zuge der Coronakrise stärker mit der eigenen psychischen Gesundheit zu befassen: „Dass sich in der Coronakrise verstärkt auch jüngere, digitalaffine Menschen mit ihrer Psyche beschäftigen, könnte uns als Gesellschaft dabei helfen, dass psychische Erkrankungen nicht weiter stigmatisiert werden.“ Für Krankenversicherer sei das eine große Chance, die Prävention voranzutreiben und den Patienten möglichst früh eine passende Behandlung zu vermitteln.

Mittlerweile gibt es auch viele digitale Angebote, die bei psychischen Belastungen Unterstützung bieten. Das kann beispielsweise eine App zur Stressreduktion oder eine Onlinepsychotherapie sein. Der Krankenversicherer des Betroffenen könne dabei helfen, einen professionellen Anbieter zu finden, sagt Vollert: „Zahlreiche Maßnahmen werden sowohl von der gesetzlichen als auch der privaten Krankenversicherung übernommen.“

Die Psychotherapeutin Deniz Kirschbaum beschreibt in der Studie einige Vorteile professioneller Online-Hilfsangebote: Die Möglichkeit zur Anonymität verringere die Hemmschwelle, Hilfe zu suchen. Die Unterstützung erfolge sofort im akuten Problemfall und könne trotz der aktuellen Einschränkungen vonstattengehen.

Studien zufolge seien die Behandlungseffekte zudem dieselben wie bei einer Vor-Ort-Beratung. Eine breitere Akzeptanz dieser Soforthilfen würde daher nicht nur den Patienten helfen, sondern auch dem überlasteten Therapeutennetzwerk.


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