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Wussten Sie schon?

Als Single in die Isolation


Lesen Sie hier einen Artikel von Linda Leitneram


"Für mich war Alleinwohnen immer ein Privileg. Es ist teuer, aber die Ruhe das ganze Geld wert. Zeit ohne andere zu verbringen ist grossartig – wenn die Einsamkeit selbstgewählt ist. Derzeit ist sie das nicht. Aber wie dramatisch ist das wirklich?"


"Wenn Katastrophen passieren, machen die Leute Babies. Das ist wissenschaftlich belegt. So stieg in den USA nach der Hurricane-Season die Geburtenrate. Wenn man nicht raus darf und konstant aufeinanderhockt – warum dann nicht komplett ohne Hosen? Klar. Macht mehr Spass, macht ja glücklich. Aktuell wütet weltweit ein (wenn auch gänzlich unsichtbarer) Sturm. Man darf nicht raus, hocken tue ich aber lediglich auf meinem Sofa, denn ich habe weder Mitbewohner noch Lebensabschnittspartner. Körperkontakt werde ich lange keinen haben. Niemand streichelt mir den Kopf, wenn ich Schiss kriege, niemand löffelt mich, wenn ich nicht einschlafen kann. Niemand ist da.

Eigentlich ist es ja wie immer. Als Single ist Alles-alleine-meistern Standard. Kein Problem, das mit den Problemen kann ich. Dafür kann ich immer machen, was ich will. Raus, rein, wann ich will. Wann und wohin. Das kann jeder, der in einer Beziehung lebt, (hoffentlich) auch. Aber als Single hat man zwangsläufig mehr Zeit für sich und ist intensiver damit beschäftigt, die auszufüllen. Yay, ich bin brutal frei und selbstbestimmt! Aber was jetzt ...? Wenn ich nicht mehr bestimmen kann, wohin und dass ich überhaupt gehe?


Entvölkerte Strassen – leeres Bett

Nun rollt die Coronawelle über unsere emanzipierten Häupter und plötzlich ist Alleinsein total unheimlich. Kein Mensch weiss, wie lange man noch zu Hause bleiben muss und niemanden treffen darf, der nicht im eigenen Haushalt wohnt. Ich blicke neben Netflix ins leere, schwarze «Nichts», das mir schon als Kind in «Der unendlichen Geschichte» so Angst gemacht hat. Neben einem angeborenen Fluchtreflex agiert der Mensch in Ausnahmesituationen äusserst klebrig, weiss der Zürcher Psychologe Ben Kneubühler: «Viele Menschen erleben das Virus als Bedrohung. Bei Angst wird das Bindungsbedürfnis aktiviert. Es ist einfacher, schwierige Gefühle auszuhalten und zu regulieren, wenn wir nicht alleine sind. Grundsätzlich ist es also eher unnatürlich in einer solchen Krisensituation Abstand zu halten, auch wenn dies sehr wichtig ist.» Tja. Wer vor der Apokalypse anständig gedated hat, der kuschelt jetzt. Wer allein lebt, ist jetzt richtig lang allein. Und hat es nicht einfach. Danke, Herr Kneubühler.


Einsamkeit ist ungesünder als Rauchen Manchmal werde ich wütend. Jeder, der denkt, er sei cool oder spirituell (oder beides), faselt in den Sozialen Medien von Selfcare und wie heilend das alles nun für uns sein kann. Man soll Dinge tun, für die man nie Zeit hatte, kreativ sein, meditieren, halt einfach runterfahren. Geschickt werden diese Posts aber meistens aus ver-drapierten Altbauwohnungen mit Monstera, in denen ein Doppelbett steht. Und da kann ich nun noch so krass detoxen (weil nicht feiern) und total aufwändige healthy Rezepte ohne irgendwas, aber mit viel Ingwer ausprobieren: «Aus der Forschung wissen wir, dass Einsamkeit für unsere Gesundheit schädlicher ist als beispielsweise Rauchen, ungesunde Ernährung oder mangelnde Bewegung», so Kneubühler.

Ich weiss, die Posts sollen Mut machen, aber das ist nunmal alles leichter gesagt, wenn jemand daneben hockt, der einem mit Nachdruck das Knie tätschelt. Das Alleinsein wird hart. H.A.R.T. «Eh schon einsame Menschen hatten vor der Krise vielleicht noch Erlebnisse von Zugehörigkeit, wenn sie sich in einer Gruppe aufhielten, sei dies an einem Konzert oder beim Einkaufen. Dies fällt nun auch weg und ist wahrscheinlich umso belastender, je länger die Krise anhält», weiss Kneubühler. Ich sag ja: hart. ..."


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