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Wussten Sie schon?

Warum Arbeit uns entfremdet

Arbeit soll Sinn geben. Struktur. Sicherheit. Identität.So zumindest das gesellschaftliche Versprechen.Doch immer mehr Menschen erleben das Gegenteil: Erschöpfung, innere Leere, Sinnverlust. Nicht weil sie faul sind oder zu wenig leisten – sondern weil Arbeit sie von sich selbst entfremdet.

Diese Entfremdung ist kein individuelles Versagen. Sie ist ein psychologisches und strukturelles Phänomen.


Was Entfremdung psychologisch bedeutet

Psychologisch beschreibt Entfremdung einen Zustand, in dem Menschen den Kontakt zu ihren eigenen Bedürfnissen, Gefühlen, Werten und inneren Motiven verlieren. Sie funktionieren – aber sie fühlen sich nicht mehr verbunden mit dem, was sie tun.

Typische innere Sätze entfremdeter Menschen sind:

  • „Ich weiß gar nicht mehr, warum ich das mache.“

  • „Ich bin nur noch im Autopilot.“

  • „Am Wochenende brauche ich Tage, um mich zu erholen.“

  • „Ich fühle mich leer, obwohl objektiv alles okay ist.“

Entfremdung ist kein Mangel an Leistung – sondern ein Mangel an Bedeutung.


Arbeit als Identitätsersatz

In modernen Gesellschaften ist Arbeit mehr als Broterwerb. Sie ist:

  • Status

  • Selbstwert

  • soziale Zugehörigkeit

  • moralische Legitimation

Die Frage „Was machst du beruflich?“ ist oft gleichbedeutend mit: Wer bist du?

Psychologisch ist das problematisch. Denn wenn der Selbstwert fast ausschließlich an Leistung gekoppelt ist, entsteht eine fragile Identität. Versagen, Krankheit oder Erschöpfung werden dann nicht als menschlich erlebt, sondern als persönliches Scheitern.

Funktionieren statt Erleben

Viele Arbeitsstrukturen verlangen Anpassung:

  • feste Zeitmodelle

  • Hierarchien

  • Zielvorgaben

  • permanente Erreichbarkeit

  • Leistungskennzahlen

Das Nervensystem reagiert darauf mit Dauerstress. Menschen schalten in einen funktionalen Modus:

  • Gefühle werden ausgeblendet

  • Bedürfnisse verschoben

  • Pausen ignoriert

  • Warnsignale übergangen

Kurzfristig funktioniert das. Langfristig führt es zur inneren Abspaltung.


Was im Gehirn passiert

Neurologisch betrachtet aktiviert entfremdete Arbeit häufig das Stresssystem:

1. Chronische Aktivierung der Amygdala

Die Amygdala reagiert auf Druck, Kontrolle und Bewertung. Dauerhafte Leistungsanforderung hält sie aktiv – auch ohne akute Gefahr.

Folgen:

  • innere Unruhe

  • Reizbarkeit

  • Schlafstörungen

  • Angst

2. Dämpfung des Belohnungssystems

Wenn Arbeit keinen Sinn, keine Autonomie und keine Resonanz bietet, wird das dopaminerge Belohnungssystem kaum aktiviert. Motivation wird extrinsisch – durch Geld, Angst oder Pflichtgefühl.

Das Ergebnis:

  • Antriebslosigkeit

  • Erschöpfung

  • emotionale Abstumpfung

3. Verlust der Selbstregulation

Der präfrontale Kortex, zuständig für Selbststeuerung und Reflexion, wird durch Dauerstress geschwächt. Menschen handeln automatisiert statt bewusst.


Entfremdung durch fehlende Autonomie

Psychologische Forschung zeigt: Menschen brauchen für psychische Gesundheit drei Grundbedürfnisse:

  • Autonomie

  • Kompetenz

  • soziale Verbundenheit

Viele Arbeitsplätze verletzen alle drei:

  • Entscheidungen werden vorgegeben

  • Leistung wird standardisiert

  • echte Beziehungen bleiben oberflächlich

Der Mensch wird zur Ressource. Und Ressourcen fühlen nichts.


Emotionale Folgen

Langfristige Entfremdung zeigt sich oft nicht sofort – sondern schleichend:

  • chronische Müdigkeit

  • Sinnfragen

  • Zynismus

  • innere Distanz

  • psychosomatische Beschwerden

Viele Betroffene sagen:„Ich habe alles richtig gemacht – und fühle mich trotzdem falsch.“


Warum Anpassung nicht schützt

Viele Menschen versuchen, sich noch mehr anzupassen:

  • effizienter werden

  • belastbarer sein

  • weniger fühlen

  • mehr leisten

Doch genau das vertieft die Entfremdung. Wer sich dauerhaft selbst übergeht, verliert den inneren Kompass.

Anpassung schützt kurzfristig vor Konflikten – langfristig kostet sie Identität.


Der Körper als letztes Sprachrohr

Wenn die Psyche lange ignoriert wird, spricht der Körper:

  • Erschöpfung

  • Schmerzen

  • Panik

  • Zusammenbruch

Nicht als Schwäche – sondern als Notbremse.

Burnout ist kein Versagen. Es ist ein Protest des Nervensystems.


Was helfen kann

Entfremdung lässt sich nicht allein durch „Work-Life-Balance“ lösen. Sie erfordert ein Umdenken:

  • Arbeit als Teil des Lebens, nicht als Ersatz für Leben

  • Sinn statt nur Leistung

  • Mitgestaltung statt bloßes Abarbeiten

  • Menschlichkeit statt Optimierung

Auf individueller Ebene helfen:

  • das Wiederentdecken eigener Werte

  • Grenzen setzen

  • Gefühle ernst nehmen

  • Alternativen denken


Fazit

Arbeit entfremdet nicht, weil Menschen zu sensibel sind.Sie entfremdet, wenn sie den Menschen zum Mittel macht – statt zum Zweck.

Psychische Gesundheit entsteht dort, wo Menschen sich als lebendig, wirksam und verbunden erleben dürfen.

Nicht alles, was produktiv ist, ist menschlich.Und nicht alles, was menschlich ist, lässt sich messen.


ree

 
 
 

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